Tönnies, der größte Schlachthof der Region

Vorweg: Ich verwende keine Fotos von (getöteten) Tieren in diesem Beitrag. Sie sollten allen Menschen bekannt sein und ich möchte an dieser Stelle nicht triggern.

Aus aktuellem Anlass (für die ermordeten Tiere und die ausgebeuteten Arbeiter*innen ist jeder Tag ein aktueller Anlass um darüber zu berichten) veröffentliche ich diesen Artikel:

Tönnies darf ab sofort die Tötungskapazitäten am Standort Rheda-Wiedenbrück auf 30.000 Tiere pro Tag erweitern.
Oder anders ausgedrückt: alle 2,9 Sekunden wird ein Leben in dem anonym wirkenden Gebäude ausradiert.

Ich möchte den Text in drei Teile gliedern, die das Unrecht, das an diesem Ort passiert, thematisieren sollen.

Da Tönnies selbst keinerlei Tiere hält, sondern dies von eigenständigen „Landwirt*innen“ erledigen lässt, war es mir leider nicht möglich über die Haltung verlässliche Quellen zu finden. So schön, wie es bei Tönnies dargestellt wird, dürfte es aber nicht sein, wie die Recherchen von anderen Tierrechtsorganisationen aus dem ganzen Land immer wieder zeigen.
Misshandlung, Gewalt und Verletzungen sind in der Tierhaltung von sogenannten Nutztieren Standard, keine Ausnahme.

Das Unternehmen

Die Tönnies Holding ApS & Co. KG ist Deutschlands größter Schlachthof für Schweine und gehört den beiden Familienunterehmern Clemens und Robert Tönnies. [efn_note] Leider wurde die Wikipedia-Seite offensichtlich von Tönnies-Sympathisanten geschönt: https://de.wikipedia.org/wiki/Tönnies_Holding[/efn_note] Im Unternehmen werden aktuell 16.500 Mitarbeiter*innen beschäftigt. [efn_note] https://www.toennies.de/fileadmin/content/documents/presse/Pressemappe_Deutsch.pdf [/efn_note] Damit ist die Firmengruppe der viertgrößte Schweinefleisch-Produzent der Welt!

Tönnies ist in der EU und im internationalen Markt aktiv, tötet die meisten Tiere aber in Deutschland.
Im Jahr 2016 wurden in Deutschland von Tönnies 16.200.000 Schweine getötet. Im Jahr 2017 konnte die Firmengruppe die Schlachtzahlen noch einmal um 2.5% auf 16.6 Millionen getötete Tiere in Deutschland erhöhen. Auf den Tag herunter gerechnet heißt das 850 Tonnen produzierte „Ware“.[efn_note] www.karriere-bei-toennies.de/fakten/ [/efn_note]
Dabei exportiert die Firma nach eigenen Angaben über 50% der Erzeugnisse.

Zu dem Gewinn des Unternehmens wird sich ausgeschwiegen, aufgrund des Umsatzes im vergangenen Jahr von 6,9 Milliarden Euro dürfte er entsprechend üppig ausfallen.[efn_note]  www.toennies.de/presse/detail/artikel/79/toennies-waechst-gegen-den-marktrend.html [/efn_note]
Tönnies hat außerdem an folgenden Firmen in der Branche eine Beteiligung:
– Weidemark; Westfalen Krone
– Jade Schlachthof, Wilhelmshaven
– Tevex Logistics GmbH
– Sachsenkrone; Fürstenstädter Fleischwaren; Reisinger Schlachthof GmbH
– Schlachthof Gütersloh GmbH; Schlachthof Beckum GmbH; Union Protein GmbH
– Tönnies Software Innovation GmbH; Slagteriet Brørup A/S (SB Pork A/S); Einkaufsallianz Nord GmbH
– FIRoWa Handels GmbH; B.& C. Tönnies Holding GmbH u. Co. KG; Rhedaer Geflügelfeinkost GmbH
– SB-Fleischwaren GmbH; Brandenburger Feinkost GmbH
– Tönnies Foodservice GmbH; Alpenmetzgerei AG Zürich; Garant Fleischnebenprodukte GmbH Rheda-Wiedenbrück
– Tönnies Außenhandels Beteiligungs GmbH; B.& C. Tönnies Bauplanungs-GmbH
– KUB Unternehmensbeteiligungsgesellschaft mbH; WestfalenGelatine GmbH
– Fleischwarenfabrik Vogt & Wolf, Gütersloh

Auch wenn Tönnies ein Gigant in seiner Branche ist, vertreibt die Firma unter dem Label „Gutfried“ auch vegetarische Produkte.
Mitte 2018 zog sich die Firma aber größtenteils aus diesem Segment zurück, da der Markt schrumpfte und nicht die gewünschten Umsätze generieren konnte.[efn_note]  https://www.welt.de/wirtschaft/article175513244/Fleisch-Toennies-beendet-sein-Veggie-Abenteuer.html [/efn_note]

Die Arbeiter*innen

Die Fleischindustrie ist für die menschenverachtenden Bedingungen bekannt, unter denen die Mitarbeiter*innen arbeiten müssen.
Wie sieht es bei Tönnies aus?
Tönnies arbeitet mit Subunternehmer*innen – wie z.B. der Firma BESSELMANN SERVICES GMBH & CO. KG – die ihrerseits Personal zur Verfügung stellen.
Auffällig ist dabei die hohe Anzahl der osteuropäischen Arbeiter*innen.

Auch wenn die Firmen zur Zahlung des Mindestlohns verpflichtet sind, finden sie – gemeinsam mit Tönnies – Wege, diesen zu umgehen. So ist das zeitintensive An- und Ausziehen der Arbeitskleidung, welches insgesamt bis zu 45 Minuten dauern kann, nicht als Arbeitszeit anerkannt und deswegen auch nicht bezahlt.
Das sind pro Tag bis zu 90 Minuten oder pro Woche bis zu 7,5 Stunden unbezahlte Mehrarbeit.
Überstunden, die am Band selbst anfallen, werden ebenfalls gerne übersehen. So gibt es Arbeiter*innen, die bis zu 25% mehr arbeiten, aber keinen Lohn oder Zeitausgleich für die erbrachte Leistung bekommen. Diese Personen waren ebenfalls über eine Sub-Firma angestellt. Auf Arbeitnehmer*innen wird Druck ausgeübt, damit sie nicht auf die Anerkennung der Stunden bestehen.
Ebenso kann der Lohn gedrückt werden, wenn illegalerweise die Reinigung von Hygiene-Kleidung in Rechnung gestellt wird.
Dies ist vom Arbeitgeber ohne Nachteil für die Belegschaft zu erledigen, wie Arbeitsgerichte entschieden haben.
Tönnies selbst schweigt sich zu den Vorwürfen aus und verweist lediglich darauf, dass die Arbeitnehmer*innen ja bei Subunternehmen angestellt sind.[efn_note]https://www.youtube.com/watch?v=MHr2DH15rSI&t=5s[/efn_note]

Das von den Mitarbeiter*innen nicht viel gehalten wird, zeigt auch eine Reportage vom SWR Mainz, die aufdeckte, dass flächendeckend mit Kameras überwacht wurde, sogar im Umkleide- und Toilettenbereich![efn_note]www.youtube.com/watch?v=8gFA-3Nvqp4[/efn_note]
Der Grund ist ein Armutszeugnis für die Firma im doppelten Sinne: Weil die – größtenteils aus Osteuropa per Subunternehmen – Angestellten vor Hunger Fleischabfälle klauen könnten, sieht sich Tönnies zu dieser 24/7 Überwachung genötigt.
Statt den Mitarbeiter*innen also einen lebenswürdigen Lohn zu zahlen, investiert die Firma lieber in Technik, um die ausgebeuteten Menschen zu überwachen. Tönnies streitet dies alles ab.

Die Umwelt

Leider findet sich praktisch nichts zu den Auswirkungen, die durch die „Produkte“ von Tönnies entstehen.
Das liegt u.a. daran, dass Tönnies selbst natürlich beste Verbindungen in die Politik hat, sodass vieles unter den Teppich gekehrt werden dürfte, andererseits wird es aber auch daran liegen, dass Tönnies seine Tiere von anderen Firmen zugeliefert bekommt. Tönnies züchtet also nicht selbst seine tierlichen Opfer, sondern lässt dies von anderen Betrieben vornehmen. Diese werden dann auch gerne als „Bauer von nebenan“ bezeichnet….
Dennoch hat sich ein lokales Bündnis gegen Tönnies gebildet. Diese Gruppe hat in der Ems multiresistente Keime entdeckt und führt diese auf den ansässigen Schlachthof zurück.[efn_note] www.die-glocke.de/lokalnachrichten/kreisguetersloh/rheda-wiedenbrueck/Multiresistente-Keime-in-der-Ems-entdeckt-155c40f8-18ad-4203-9915-802a7b4316bc-ds[/efn_note]
Tönnies weißt auch diese Vorwürfe zurück. Forschungsergebnisse auf diesem Gebiet legen jedoch nahe, dass die von Tönnies durchgeführte Reinigung des Produktionswassers nicht funktioniert.[efn_note]www.bdew.de/presse/presseinformationen/medienberichte-ueber-multiresistente-keime-gewaessern/[/efn_note] Dass multiresistente Keime, auch bekannt als MRSA, aus der Fleischwirtschaft durch den maßlosen Verbrauch von Antibiotika kommen und diese MRSA letztendlich dafür sorgen, dass ein Post-Antibiotika-Zeitalter immer näher rückt, ist hinreichend wissenschaftlich belegt.
Wer heute Fleisch- oder Milchprodukte konsumiert, ist also mit dafür verantwortlich, dass morgen Menschen wieder an einem Schnitt im Finger sterben können. [efn_note]de.wikipedia.org/wiki/Staphylococcus_aureus[/efn_note]

 

Der Firmenverband von Tönnies agiert nach der Logik des Kapitalismus.
Oberstes Ziel sind Umsatz und Gewinn. Alles andere ist Zweitranging. Dazu gehören Mitarbeiter*innenschutz, Umweltschutz, Nachhaltigkeit oder ethisches Handeln.

Auch wenn ich es persönlich sehr schön finden würde, würde Tönnies vom Markt verschwinden, ist doch leider davon auszugehen, dass Konsument*innen weiter auf die Tricks und Lügen der Fleischlobby herein fallen und weiter „Produkte“ dieser Firmen kaufen werden. Damit zerstören diese Menschen nicht nur ihre eigene Gesundheit, sondern beuten die Arbeiter*innen aus, lassen Tiere quälen und töten und zerstören letztendlich den Boden, auf dem wir alle leben.
Mein Appell an dieser Stelle an die lesende Person: Weise, wann immer möglich, deine Mitmenschen auf das, was durch ihren Konsum finanziert wird, hin.

Selbst wenn Tönnies vom Markt verschwinden würde, ist damit noch niemandem (hiermit sind auch die nichtmenschlichen Tiere gemeint) geholfen. In unserem heutigem System, dem Kapitalismus, wird einfach eine andere Firma, die bessere PR betreibt, die die Ausbeutung der Arbeiter*innen besser versteckt und ihre Produkte besser an den Markt anpasst, nachrutschen.
Tönnies ist ein Symptom des Problems, nicht das Problem selbst. Das Problem heißt Kapitalismus. So lange Ausbeutung, Macht- und Finanzmittel-Anhäufung und die Umlegung der Kosten auf die Allgemeinheit – bei gleichzeitiger Privatisierung der Gewinne – toleriert, ja sogar gefördert werden, wird es immer ein „Tönnies“ geben. Dem System ethische Werte aufzuzwingen ist irrealistischer als das zerstörerische System zu beenden. Wir können ein böses Krebsgeschwür nicht zu einem guten umwandeln. Aber wir können es herausschneiden.

 

Möge das Schlachten so schnell wie möglich ein Ende finden.

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